Der nachwachsende Rohstoff Holz: ein natürlich spannendes Baumaterial

Mehr Aufmerksamkeit und Einsatzmöglichkeiten für den nachwachsenden Baustoff Holz – das will die Neufassung der Landesbauordnung fördern und zulassen. Künftig sollen Gebäude bis zur Hochhausgrenze in Holzbauweise errichtet werden können. Wir haben nachgefragt bei Dr. Michael R. Frank, Architekt, Stadtplaner und Vorsitzender von Haus & Grund Bad Kreuznach.



Herr Frank, Hochhäuser aus Holz – ist das aus Ihrer Sicht eine Utopie oder eine Lösung, die man bald auch in Rheinland-Pfalz antreffen kann?

Michael R. Frank: Der Holzbau steht in Rheinland–Pfalz quasi vor der Tür. Berliner Architekten haben schon vor 11 Jahren mit einem 7-geschossigen Holzbauprojekt Pionierarbeit in der Bundesrepublik geleistet. Und nach Anpassung der Bauordnungen in Berlin bezüglich Brandschutz gehen z.Zt. weiterhin die Impulse von der Hauptstadt aus und schlagen in anderen Bundesländern erfolgreich auf. Voraussetzung ist aber, dass die Musterbauordnungen auch in den anderen Bundesländern über den Status der Novellierung hinaus angepasst und durchgesetzt werden. Immerhin steht in der Innenstadt von Bad Kreuznach ein 4-geschossiges Einfamilienhaus aus Holz kurz vor der Fertigstellung. Und wenn bundesweit die Landesbauordnungen anwendungsreif überarbeitet sind, dann kann es durchaus weit höher hinausgehen.

International ist man schon weiter: Es gibt beispielsweise ein 53 Meter hohes Studentenwohnheim in Kanada oder das mit über 85 Metern „höchste Holzhaus der Welt“ in Norwegen. Oder – deutlich näher – das „HoHo“, also HolzHochaus, in Wien mit 24 Geschossen, das seit Anfang 2020 bezogen wird, eine bunte Mischung aus Büros, Läden, Restaurants und einem Hotel. Das zeigt: Die mittlerweile entwickelten Verarbeitungsweisen von Holz lassen statisch vom Prinzip her große und hohe Bauten zu.

Wichtig ist die ausreichende Trocknung des Holzes

Bauen mit Holz wird an sich ja schon seit Jahrtausenden praktiziert. Früher nutzte man Balken und Bretter, heute sind industriell aufgearbeitete Holzbauteile die Basis. Welche Anforderungen können und müssen diese erfüllen?

Frank: Mit Balken und Brettern kommen Sie in dem Bereich nicht mehr weit (lacht) … Nein, ernsthaft: Der wichtigste Punkt ist, dass das Holz dauerhaft entsprechend trocken ist und bleibt. Zum einen, damit Pilze, Insekten und andere Schädlinge nicht angreifen können. Zum anderen, damit sich das Holz, vereinfacht gesagt, nicht durch eindringende Feuchtigkeit „verziehen“ kann.

Das Rohmaterial für moderne Holzbauteile wird deshalb in großtechnischen Anlagen getrocknet und dann ingenieursmäßig ausgeklügelt in Schichten verklebt. Dabei hat man in den letzten Jahren viel dazugelernt, was beispielsweise die Kombinierbarkeit verschiedener Materialien und Strukturen angeht. Sind die vorgefertigten Teile im Gebäude verbaut, ist für einen langfristig sicheren Feuchteschutz zu sorgen. Das heißt: Dach dicht, Fassade dicht – und in den Räumen natürlich ein möglichst intelligentes, leistungsfähiges Lüftungssystem.

Eine gewisse Hemmschwelle bei der Zulassung von Holzbauten seitens der Bauämter ist klassischerweise der Brandschutz. Holz brennt gut, das weiß man. Durch eine ausreichende Bemessung der vorgefertigten Holzbauteile sind diese im Brandfall durch die sich bildende Kohleschicht selbst vor weiterer Zerstörung geschützt. Natürlich kann man Holz auch mit nichtbrennbaren Materialien ummanteln – aber das will man nicht: Ein Holzbau soll auch die sympathische Anmutung des Holzes mitbringen, das „Holz muss sichtbar bleiben – es bringt die Natur ins Haus“, sagen die Architekten und Nutzer der Gebäude.


Das Naturmaterial Holz muss also mit viel moderner Technik kombiniert werden?

Frank: Gebäude aus vorgefertigten Holzbauelementen sind langlebig und nachhaltig; in den Hallen der Hersteller wird ein hoher Vorfertigungsgrad realisiert. Dort, wo aus statischen oder Brandschutzgründen die Kombination mit anderen Materialien notwendig ist – etwa mit Stahl oder Stahlbeton – spricht man von Hybridkonstruktionen. Dies ist völlig legitim und technisch intelligent. Gleichwohl arbeiten die „Puristen“ an reinen Holzkonstruktionen, auch bei Hochhäusern. So werden z.B. auch schon Aufzugsschächte aus Holz hergestellt.

Fassade in Holztafelbauweise, tragende Teile aus Stahl und Stahlbeton: Das Projekt „Wohnen an der Barnimkante“ des Berliner Architekturbüros Scharabi entstand in Hybridbauweise. Es entspricht dem Standard Energiesparhaus KfW 40. | Fotos: Taufik Kenan, Berlin

Auch für Einfamilienhäuser durchaus interessant

Stichwort Einfamilienhaus: Ist der Baustoff Holz denn auch für Familien interessant, die sich den Traum vom Eigenheim mit Garten erfüllen wollen?

Frank: Natürlich! Es hat ja gute Gründe, warum in den letzten Jahren so viele Einfamilienhäuser aus vorgefertigten Holzbauelementen entstanden sind. Mindestens jedes fünfte neue Einfamilienhaus in Deutschland trägt das Grundmaterial Holz in sich; die Entwicklung zu noch intelligenteren Anwendungen von Holzdecken und -wänden ist rasant. Kostengünstiges Bauen ist das Ziel und eine kurze Bauzeit durch die angelieferten Elemente bereits jetzt ein wichtiges Argument für diese Bauweise.

Auch im Hinblick auf die Klimaziele, die uns politisch vorgegeben sind, spricht viel für das Bauen mit Holz. Gerade hier in Rheinland-Pfalz, wo über 40 Prozent der Landesfläche mit Wald bestanden sind, macht das Sinn. Traditionell sind die Hersteller und Lieferanten der Holzbauelemente vorwiegend im Schwarzwald, Bayern und Österreich beheimatet. Doch das kann sich ändern, alles sieht danach aus.

Im Gespräch: Architekt und Stadtplaner Dr. Michael R. Frank.

Bauministerin Doris Ahnen sieht auch bei Um- und Ausbaumaßnahmen ein großes Potenzial für den Baustoff Holz…

Frank: Da hat die Ministerin Recht. Die Anfänge sind gemacht, überall in Rheinland-Pfalz finden Sie schon heute Schulen und Kindergärten, Feuerwehrgerätehäuser, Sport- und Gemeindehallen, Fabrikgebäude und Privathäuser, die in Holzbauweise erweitert oder aufgestockt wurden. Für die großen und wichtigen Bauvorhaben fehlen noch die bauaufsichtlichen Voraussetzungen – wenn diese durch sind, kann es auch in Rheinland-Pfalz in die Höhe gehen.

Das Gespräch führte Dr. Ilse Preiss

Fotos:
© Taufik Kenan, Berlin
Jan Bitter

 


Daten und Fakten rund ums Holz

  • Mit rund 11,4 Millionen Hektar – knapp einem Drittel der Gesamtfläche – ist Deutschland eines der waldreichsten Länder in der EU. Unter den Bundesländern haben Rheinland-Pfalz und Hessen mit 42,3 % ihrer Landesfläche die größten Waldanteile.
  • In den deutschen Wäldern wachsen jedes Jahr rund 110 Millionen Kubikmeter Holz nach. Das entspricht etwa 40 Mal dem Volumen der Cheops-Pyramide. Geerntet werden jährlich rund 64 Mio. Kubikmeter.
  • Der Wald ist ein effektiver Kohlenstoffspeicher. In Bäumen und Böden der Wälder bundesweit sind rund 1,23 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gebunden, weitere 34 Millionen Tonnen im Totholz.
  • Die Forst-, Holz- und Papierwirtschaft in Rheinland-Pfalz erreicht einen Jahresumsatz von über 10 Milliarden Euro und beschäftigt mehr als 30.000 Menschen. Sie hat damit im produzierenden Gewerbe des Landes dieselbe Größenordnung wie die chemische Industrie.
  • Mit Fördergeld aus dem Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten wird an der Hochschule Trier ein Holzkompetenzzentrum (HKT) aufgebaut. In Zusammenarbeit zwischen Hochschule, Handwerk und Industrie werden hier neue Bauweisen mit Holz sowie Technologien und Verfahren zu deren Digitalisierung erforscht und entwickelt. Das HKT betreibt auch eine interfakultative Wissensplattform für Holzfachleute. Im Masterstudiengang Architektur bietet die Hochschule Trier eine Vertiefungsrichtung Holz an.

Mehrfamilienhaus aus Holz: „Walden 48“, ein weiteres Scharabi-Projekt in Berlin, wurde als Holzkonstruktion nach dem KfW 55 Standard errichtet. Der natürliche Baustoff Holz als CO2-neutraler Baustoff begünstigt das energieeffiziente Bauen und sorgt für ein angenehmes Raumklima. | Fotos: Jan Bitter

 

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